Milan gegen Atalanta: Vollgas nur in Halbzeit eins

AC Mailand – Atalanta Bergamo 1:1 (1:1), Giuseppe Meazza Stadion Mailand, Serie A Italien, 24.07.2020, DAZN

Die erste Halbzeit war noch ganz interessant, die zweite Hälfte jedoch zerfahren. 1:1 trennten sich der AC Mailand und Atlanta Bergamo in Italiens Serie A. Wer glaubte, dass die bewundernswerte Truppe aus Bergamo noch ein wenig den Abonnement-Champion Juventus Turin ärgern kann, lag nach diesem Remis leider falsch.

Das Hinspiel war eine Demonstration: Mit 5:0 demütigte Atalanta Bergamo den großen AC Mailand im Dezember. Nur 60 Kilometer trennen die beiden Städte, das kleine Bergamo stand dabei immer im Schatten der mächtigen Mailänder Klubs. Doch inzwischen haben sich die Gewichte verschoben. Auch an diesem Abend: Atalanta spielte sich in einen Spielrausch, dass einst so stolze Milan war ein Trümmerhaufen, in dem überhaupt nichts funktionierte. Es hätte noch viel höher ausgehen können.

Sieben Monate später hat sich der einstige Berlusconi-Club AC Mailand wieder gefangen. Trainer Stefano Pioli hat die Mannschaft stabilisiert, nach der Corona-Pause lautete die Bilanz sieben Siege, zwei Unentschieden und keine Niederlage. Kein Wunder, dass die Verhandlungen mit Ralf Rangnick auf Eis gelegt wurden, Pioli bleibt Trainer. „Wer ist Rangnick“, hatte Milan-Altstar Zlatan Ibrahimovic vorher noch gewohnt großmäulig getönt.  

Nur Atalanta aus der Stadt Bergamo, die so hart von der Pandemie betroffen war, war nach der Zwangspause noch besser: acht Siege, zwei Remis und null Niederlagen. Die Mannschaft von Trainer Gian Petro Gasperini erinnert mich ein wenig an das Dortmunder Team unter Jürgen Klopp in den Meisterjahren 2010/2011 und 2011/2012. Auch der BVB spielte hochattraktiven Fußball mit dem Fokus auf Offensive und Pressing. Zudem musste die Borussia erst mal geschlagen werden, mit den Erfolgen stieg das Selbstvertrauen. Auch weil die Truppe perfekt funktionierte.

Atalanta tritt mit ähnlich breiter Brust auf. Ein perfektes abgestimmtes Ensemble mit einigen herausragenden Figuren wie Kapitän Papu Gomez oder Torjäger Duvan Zapata. Der Fokus liegt auf der Offensive: 95 Tore hatte das Team vor diesem Spieltag bereits erzielt.


Calhanoglu hat wieder Spaß

Auch bei Milan begann Bergamo höchst selbstbewusst und bestimmte die Partie. Milan kam kaum aus der eigenen Hälfte, weil die Gäste immer wieder früh störten. Doch Atalanta traf nicht, dafür aber der AC mit seiner ersten guten Offensiv-Aktion. Hakan Calhanoglu zirkelte einen Freistoß sehenswert zum 1:0 ins Netz.

Ausgerechnet Calhanoglu: Schon in der Bundesliga beim Hamburger SV und Bayer Leverkusen galt der gebürtige Mannheimer als schlampiges Genie, dessen Vorstellungen oft zwischen Himmel und Hölle schwankten. Beim 0:5-Debakel im Dezember war der türkische Nationalspieler in einer schlechten Mannschaft der Schwächste. Jetzt treibt er das Mailänder Spiel an, trifft regelmäßig und arbeitet auch nach hinten. Auch er lobte in der vergangenen Woche Trainer Pioli, der Milan wieder in die Spur gebracht habe.

Bergamo aber zeigte sich nur kurz geschockt. „Sie spielen immer Vollgas“, sagte DAZN-Experte Benny Lauth. Ruslan Malinovskyi scheiterte zwar mit seinem Strafstoß noch an Milan-Keeper Gianluigi Donnarumma, doch dann wühlte sich Zapata in unnachahmlicher Weise durch und markierte das 1:1 (34.). Jetzt war Milan wieder in Nöten, auch Ibrahimovic, Calhanoglu und Rebic arbeiteten nach hinter. Pioli an der Linie coachte unaufhörlich, auch ohne Italienisch-Kenntnisse war erkennbar, wie er seinen Spieler immer positiv motivierte.

Aus dem lebhaften Spiel des ersten Abschnitts wurde dann leider eine ziemlich zerfahrene Partie in Halbzeit 2. Eigentlich passierte kaum noch etwas, das Mammutprogramm der Serie A (11 Spiele in 34 Tagen) forderte seinen Tribut. Auch Atalanta wirkte jetzt zunehmend kraftlos. So blieb es beim 1:1.

Wenn ein Spiel dann so langweilig wird, dann wird einem die Ödnis dieser Geisterspiele richtig bewusst. Das leere Giuseppe Meazza Stadion in Mailand – trostlos, wie ein Trainingsspiel in der Kreisliga in einer Beton-Wüste. Auch der Letzte sollte es bemerkt haben: Ohne Zuschauer ist Fußball nichts.     

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