kicker: Die „Bibel des Fußballs“ feierte runden Geburtstag



Aus dem kicker-Sonderheft zur Bundesliga 1985/1986: Auch Horst Hrubesch kickte einst (wenig erfolgreich) bei Borussia Dortmund.

Das Fachmagazin kicker wurde am 14. Juli 100 Jahre alt. Ein Blatt, das nicht nur meine fußballerische Sozialisation maßgeblich begleitet hat. Herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag.  

Was für eine Anekdote: Der DFB bezahlte einst seinem ehemaligen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder nicht nur ein Büro in Stuttgart, sondern auch ein Abonnement des kicker. Das Büro wurde aufgelöst und das Abo abbestellt. Was bei Frau Meyer-Vorfelder zu großer Empörung führte, später beklagte sie sich intensiv über diese schiere Ungerechtigkeit: Der kicker kam nicht mehr frei ins      Haus. Schlimmer konnte es wirklich nicht kommen. 

Ja, das Fußballmagazin, auch „Bibel des Fußballsports“ genannt. Am 14. Juli wurde das Blatt 100 Jahre alt. Im Gegensatz zum ehemaligen DFB-Bonzen habe ich den kicker immer selbst bezahlt, auch als es mir finanziell schlecht ging.  

Es ist zweifellos eine langjährige Beziehung. Mein erstes Exemplar habe ich mit zehn Jahren in unserem Dorfladen im Sauerland gekauft und danach gab es kaum einen Montag oder Donnerstag ohne das Fachblatt. In der Schule habe ich ihn heimlich unter der Bank gelesen, die unzähligen Statistiken führten zu weiteren Statistiken daheim. Das Bundesliga-Sonderheft ist zudem Pflichtlektüre. Inzwischen ist der Montag nur noch kicker-Pflichttermin, dafür schaue ich täglich in die App oder auf kicker.de.
Ob Schule, Ausbildung, Bundeswehr, Studium, Beruf, Arbeitslosigkeit oder Freiberuflichkeit – der kicker war in allen Phasen dabei. Oder anders gezählt: Bei zwölf Fußball-Weltmeisterschaften begleitete mich das Blatt.

Inzwischen auch mal Kritik an Autoritäten

Dabei nervte mich schon früher manches: Die manchmal etwas phrasenhafte Sprache, die manchmal biedere und altbackene Berichterstattung. Dann diese oft kritiklose Nähe zu DFB, UEFA oder FIFA. Das war früher viel schlimmer, heute gibt es zumindest leise Kritik am DFB. Und die FIFA stößt nicht mehr nur auf Verständnis, inzwischen berichtet das Blatt auch über die Skandale des Weltfußballverbandes – ohne dabei selbst groß aktiv zu werden. Investigativ zu diesem Thema sind andere Blätter, zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung.   

Aber der kicker hat natürlich Qualitäten, die die Defizite weit übertünchen. Erst einmal ist es der weitgehende Verzicht auf alles boulevardesk Übertriebene. Wenn das Fußballmagazin etwas in die Welt setzt, dann stimmt das in der Regel. Da wird nicht groß spekuliert, da wird nicht auf die reißerische Schlagzeile gezielt. Das ist der ganz große Unterschied zur Sport-Bild etwa.

Die Spiel-Analysen sind auch für den Nicht-Nerd lesenswert. Das Beste allerdings: Der kicker beschränkt sich auf das Sportliche, irgendwelche Spielerfrauen oder -friseure tauchen weder im Blatt noch online auf.

Natürlich leidet das Fachblatt darunter, dass manche Geschichten heute erst über mehrere Stationen (Pressestelle, Spielerberater etc.) nahezu klinisch gereinigt werden. Darum sind gerade Stories über die sogenannten Top-Stars meist stinklangweilig, weil diese eigentlich nichts preisgeben. Ich denke noch mit Grauen an Interviews mit Manuel Neuer und Robert Lewandowski über jeweils fünf, sechs Seiten, die locker auf zwei Seiten hätten erscheinen können. Ansonsten sind die Bundesliga-Reporter sehr gut an ihren Vereinen dran und berichten aktuell und durchaus kritisch.

Inzwischen sieht das Blatt viele Entwicklungen im Fußball durchaus kritisch. Allerdings ist der kicker immer noch  Teil des Systems Profifußball und revolutionäre Vorschläge – etwa eine andere Verteilung der Fernsehgelder, damit die Liga wieder spannend ist – werden von ihm nicht kommen. Dabei würde eine spannendere Liga und nicht der ewige Dauermeister Bayern München dem Magazin wirtschaftlich gut tun.

Nach Spielernoten würde ich dem kicker eine 2 geben, nach den kritischen Kriterien der Rangliste würde ich das Blatt „Im weiteren Kreis“ einordnen – aber ganz oben. Gute Voraussetzungen also für weitere 100 Jahre.



Ausschnitt aus dem Sonderheft zur EM 2000: Im Nachhinein war diese EM ein Desaster für die deutsche Nationalmannschaft.


Lesetipp: Fußball-Geschichte der letzten 100 Jahre auf www.kicker.de


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