Sepp Maier, Gerd Müller und der Regen stoppten Polen
Deutschland – Polen 1:0 (0:0), Waldstadion Frankfurt, WM 1974 Deutschland, Zwischenrunde Gruppe B, 3.7.1974, ARD-Mediathek
Die berühmte „Wasserschlacht“ von Frankfurt: Mit 1:0
besiegte Deutschland im letzten Spiel der Zwischenrunde der WM 1974 die starken
Polen unter unwirklichen Bedingungen. Es regnete vor und während des Spiels, am
Ende war es auch ein überragender Torwart Sepp Maier, der Deutschland ins
Finale der Heim-WM brachte.
Das größte Drama spielte sich vor dem Spiel ab: Starke
Regenfälle hatten das Spielfeld im Frankfurter Waldstadion in eine Seenplatte
verwandelt. Fußballspielen unmöglich, hatte auch Schiedsrichter Erich Linemayr
aus Österreich zuerst entschieden. Doch der Zeitplan war eng, eine Absage
wollten die Organisatoren um Ok-Chef Hermann Neuberger unbedingt vermeiden. So verzögerte sich der Anpfiff immer
mehr, doch dann kam die Sonne heraus und der Schiedsrichter pfiff um 16:31 das
Spiel an. Nur waren die Bedingungen immer noch nicht gut. „Mit Fußball hat das
nichts zu tun“, wusste ARD-Reporter Ernst Huberty.
Dabei war diese Begegnung der Zwischenrunde Gruppe B ein
echter Entscheider. Sowohl Deutschland als auch Polen hatten ihre Begegnungen
gegen Schweden und Jugoslawien gewonnen, aufgrund des besseren Torverhältnisses
reichten den Deutschen ein Unentschieden. Das Team von Helmut Schön hatte sich
nach der Vorrunden-Schlappe gegen die DDR gefangen, neue Spieler wie Rainer
Bonhof oder Bernd Hölzenbein waren maßgeblich am besseren Fußball der Gastgeber
beteiligt.
Polen hatte in der Vorrunde Argentinien, Italien und Haiti
geschlagen und war als einziges Team bei dieser WM noch unbesiegt. Die Mannschaft
von Trainer Kazimierz Gorski hatte sich in den letzten Jahren kontinuierlich
verbessert und spielte mutig nach vorne. Mit Kazimierz Deyna, Grzegorz Lato, Robert Gadocha und Andrzej Szarmach
besaßen sie zudem großartige Individualisten in der Offensive. Szarmach fehlte
jedoch gegen Deutschland. Doch Kombinationsfußball war an diesem Tag nicht möglich:
Der Ball blieb immer wieder in den Pfützen stecken. „Zufall, was da geschieht“,
meinte Huberty trocken.
Dabei hatten die Polen in der ersten Halbzeit sogar noch
Vorteile. „Selbst Franz Beckenbauer, der ja der beste Techniker aller Zeiten
ist, hat so viele Fehler gemacht“, erinnert sich Bernd Hölzenbein (siehe Video). Flachpässe erwiesen sich als
untauglich. Nur Sepp Maier hielt bereits in der ersten Halbzeit stark.
Nach der Pause wurde Deutschland besser, spielte nun lange
Bälle und wirkte erheblich fokussierter. Es wurde ein Fußballspiel. Uli Hoeneß
scheiterte per Foulelfmeter – Jerzy Gorgon hatte Bernd Hölzenbein gefoult – an Jan
Tomaszewski, doch das Schön-Team verkraftete den Rückschlag und erhöhte noch mal das
Tempo. Auch die durchnässten Zuschauer wurden lauter.
Mal wieder Müller
Torjäger Gerd Müller lieferte sich packende Duelle mit Wladyslaw
Zmuda. Der polnische Innenverteidiger spielte seine erste WM, noch drei weitere folgten. Einmal passte Zmuda nicht auf und das nutzte Müller unnachahmlich zum entscheidenden Tor.
Polen machte nun Druck, hatte viele Torchancen, doch Sepp Maier
war an diesem Abend unüberwindbar. Wolfgang Kleff, sein damaliger Konkurrent,
lobte: „Das war der beste Sepp Maier, den ich je gesehen habe."
Huberty pries den „unbändigen Willen zum Sieg“ und stellte
besonders die unermüdlichen damaligen Youngster Rainer Bonhof und Uli Hoeneß
heraus. Aber auch Polens Robert Gadocha hatte es dem Reporter angetan. „Ist das
ein Fußballer“, schwärmte der sonst so nüchterne Kommentator.
Deutschland widerstand an diesem Abend Regen, Sturm, Blitz,
Donner und einer starken polnischen Mannschaft. Der Grundstein für den zweiten
Weltmeistertitel nach 1954 war gelegt, im Finale gab es ein ebenso denkwürdiges
2:1 gegen die Niederlande.
Polen wurde Dritter, doch auch fast 50 Jahre nach diesem
Spiel sind die Wunden noch nicht verheilt.
In Polen herrscht immer noch Verbitterung, dass überhaupt gespielt
wurde. „Für uns war klar, dass Deutschland Gastgeber war. Und es ist doch immer
so, dass der Gastgeber Weltmeister werden soll“, meinte später Grzegorz Lato,
der WM-Torschützenkönig 1974 und spätere Präsident des polnischen Fußballverbandes.
Sein ehemaliger Konkurrent Bernd Hölzenbein ist da anderer
Meinung. „Diese Mannschaft war die Beste bei der WM“, sagte er über das
polnische Team 1974. „Aber die Nerven versagten, weil sie die Chancen nicht
nutzten.“
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