Der Papst gab ein Zeichen und Hrubesch traf zweimal


Deutschland – Belgien 2:1 (1:0), Olympiastadion Rom, Finale EM 1980, 22.06. 1980, ZDF Mediathek

Unsere Zeitreise geht diesmal vierzig Jahre zurück. Zwei Tore von Mittelstürmer Horst Hrubesch bescherten den Titel: Mit 2:1 besiegte Deutschland den Außenseiter Belgien im Finale der Europameisterschaft 1980 in Italien.

Horst Hrubesch hat einen Lebenslauf, der ihn heute wohl nicht mehr in die Bundesliga bringen würde. Aber in den siebziger Jahren, da ging es noch: Mit 24 Jahren schoss der Dachdecker noch seine Tore für den SC Westtünnen in der Bezirksliga, traf dort 51-mal und hatte großen Anteil am Aufstieg seines Klubs in die Landesliga.
Trainer beim Hammer Vorortclub, heute Hammer Sportclub 2008, war Werner Lorant und auf dessen Empfehlung wechselte er zum Bundesligisten RW Essen. Auch dort traf Hrubesch von 1975 bis 1978 wie er wollte und ging 1978 zum Hamburger SV, wo er ein wichtiger Pfeiler der letzten großen HSV-Teams war. Zur EM fuhr Hrubesch nur, weil sich der Schalker Klaus Fischer verletzt hatte. Mit 29 Jahren machte er gerade sein fünftes Länderspiel.
Marode Stadien, wenige Zuschauer, langweilige Spiele – die erste Europameisterschaft mit acht Mannschaften in Italien war ein Grauen. „Betonfußball“, schrieb 11 Freunde in einem Rückblick.
Deutschland hatte zum Auftakt 1:0 in einem schwachen Spiel gegen die Tschechoslowakei gewonnen. „Drei müssen fliegen, damit wir siegen“, titelte die Bild-Zeitung vor dem Duell gegen den alten Rivalen Niederlande und einer davon sollte Klaus Allofs sein. Aber dann traf Allofs dreimal gegen Oranje beim 3:2-Sieg und düpierte die Schlagzeilenmacher des Boulevards. Nach einem bedeutungslosen 0:0 gegen Griechenland standen die Deutschen im Finale. 

Jung und hochtalentiert: Bernd Schuster

In der anderen Gruppe waren eigentlich Italien und England favorisiert. Doch weder sie noch die Spanier holten sich den Gruppensieg, sondern Außenseiter Belgien kam mit einem Sieg und zwei Unentschieden ins Finale. In dieser Gruppe war Defensive Trumpf, so schied Gastgeber Italien unbesiegt mit einem Torverhältnis von 1:0 aus.
Ganz unerwartet kam der Erfolg der Belgier jedoch nicht. Immerhin waren sie 15 Spiele unbesiegt. „Die Belgier sind knallharte Burschen – hart, aber nicht hinterhältig“, analysierte ZDF-Kommentator Dieter Kürten.
Deutschland – seit 18 Begegnungen ungeschlagen – bestimmte das Geschehen und ging bereits nach neun Minuten durch Horst Hrubesch in Führung. Die Vorarbeit kam von Bernd Schuster, im Juni 1980 gerade 20 Jahre alt und einer der besten Mittelfeldspieler des Turniers. Leider war Schusters Nationalmannschaftskarriere nur kurz: Ein Jahr später erklärte er seinen Rücktritt aus eigentlich lächerlichen Gründen und so verzichtete die spielerisch nicht gerade herausragende Nationalmannschaft auf den Mann, der später bei Real Madrid, FC Barcelona und Atletico Madrid die Fäden zog.



Deutschland hatte noch weitere Chancen, Belgien lockerte zudem seine defensive Grundordnung nicht. Doch je länger das Spiel dauerte, desto mehr ging die Mannschaft von Jupp Derwall in den Verwaltungsmodus. Sie kontrollierte Ball und Gegner, tat aber nicht mehr als nötig. Zudem schwächte der verletzungsbedingte Ausfall des agilen Hans-Peter Briegel das deutsche Spiel.
Kommentator Dieter Kürten begleitete das Spiel manchmal sehr emotional. 1980 gefiel mir das nicht besonders, heute finde ich es amüsant. Zumal Kürten seine Emotionen sparsam einsetzte. „Geh‘ doch noch ein paar Meter“, empfahl er etwa dem Stuttgarter Hansi Müller, der zu früh abschloss. Oder „aufpassen“, als Belgien mal gefährlich wurde.
Manchmal schwieg der Reporter aber auch längere Zeit. Taktisch klug nannte Kürten das deutsche Spiel, aber das Ballgeschiebe begeisterte ihn nicht. „Wie dankbar die Leute doch sind, wenn sie mal Fußball erleben dürfen“, freut er sich nach Schusters Fernschuss.

Späte Entscheidung

So langsam kamen die Belgier besser ins Spiel, zumal sie mit Jan Ceulemans und Frankie Van der Elst gute Angreifer hatten. Zudem war Libero Uli Stielike sichtlich verletzt – erstaunlich, dass keiner der deutschen Trainer das bemerkte.
Der Ausgleich wäre heute ein Fall für den Videobeweis gewesen. Denn das Foul von Stielike an Belgiens Van der Elst befand sich außerhalb des Strafraumes. Wie überhaupt das Schiedsrichtergespann aus Rumänien sehr unsicher wirkte. Jedenfalls traf Rene Vandereycken – später auch mal in der Bundesliga aktiv – zum Ausgleich. Es drohte die Verlängerung.
Doch Deutschland hatte ja noch Horst Hrubesch: 88. Minute, Ecke von Karl-Heinz Rummenigge, das Kopfball-Ungeheuer Hrubesch schraubte sich unnachahmlich in die Luft und traf zum 2:1. Der Papst habe ihm bei einer Audienz Tage vorher ein Zeichen gegeben, sagte der Torschütze später. Und Rummenigge hatte das Tor vorher einem Fotografen angekündigt.
Deutschland war bei diesem schwachen Turnier der Einäugige unter den Blinden und holte nach 1972 den zweiten Europameistertitel. Es war das erste große Turnier von Trainer Jupp Derwall und auch die deutsche Mannschaft befand sich im Umbruch. Spieler wie Torwart Toni Schumacher, Hans-Peter Briegel, Karlheinz Förster, Bernd Schuster oder auch Horst Hrubesch standen am Anfang ihrer internationalen Karriere. Zum Kader gehörte zudem der 19-jährige Lothar Matthäus, der spätere Rekordinternationale.  


Das Spiel in der ZDF-Mediathek


Hrubesch stoppt den SV Herbern

 

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